Unangepasst – unverkennbar – legendär. Ein bisschen „schräg“ muss sein

Seit vielen Jahren begleiten mich „schräge“ Menschen mit ungewöhnlichen Werdegängen. Viele sind sehr erfolgreich.

Macht „schräg“ erfolgreich?

Dabei setzen doch Heerschaaren an Eltern, Lehrern und Vorgesetzten jahrelang ihre Signale und Sanktionen, dass ein gelingendes Leben viel mehr mit „normal sein“ zu tun hat. Fürsorglich und gutmeinend natürlich.

„Schräg“ wird oft als „jenseits der Norm“ angesehen. Schaden soll von Menschen abgewendet werden, die dagegen verstoßen. Doch verändert sich nicht ständig das, was „die Norm“ ist?

In meiner Jugend im traditionell geprägten Sauerland trug man als Teenager längere Haare. Ganz sicher nicht so lang wie in manchen Stadtteilen des damaligen (West-) Berlin oder in anderen Zentren des progressiven Zeitgeistes der 70er Jahre – aber immerhin. Im Radio hörten wir die Songs echter Rockstars und sangen sie nach. Wir wollten so sein wie sie. So frei. So kreativ. So unangepasst. So legendär. So unverkennbar. Und die meisten Eltern – auch meine – mochten das nicht. So nicht!

Ich erinnere mich an Friseurbesuche, bei denen ich als Teenager versuchte, „deals“ mit dem örtlichen Friseur zu schließen, damit er nur die Spitzen schnitt – ganz vorsichtig! Doch das ging schon mal nach hinten los und ich wurde vom Vater wieder in den Salon zurückgeschickt. Ein Telefonanruf des Vaters beim Friseur kündigte mein Desaster – und das des hilfreichen Friseurs – an. Peinlich war das! Ich hatte wenig Verständnis. Heute hätte mein Vater Freude an meiner Frisur. Entspricht doch das, was heute wieder gilt, dem, was er für sich als normal und sogar hilfreich für sein Leben verinnerlicht hatte.

Wer als Mensch und als Firma neue Wege beschreiben will, muss erkennen, was für ihn selbst richtig ist – und sich konsequent an die Umsetzung machen.

Gerade in digitalen Welten ist Authentizität angesagt, sagen die Marketing-Gurus: Sei einzigartig – unverkennbar – mit klarem Profil.

Daher frage ich: Wie viel „normal“ und wieviel „schräg“ – und zu welchem Zeitpunkt – und für wie lange – ist genau richtig?

Wieviel schräg verträgt ein Unternehmen und die Menschen – vor allem in unsicheren Zeiten?

Braucht ein Unternehmen gar immer „öppis“ – wie hier meine Schweizer Kollegen sagen würden – an schräg?

Es gehört Mut und Kraft dazu, alte Wege verlassen. Und sich vielleicht am Anfang zuerst auch „komisch“ vorzukommen. Solche Gefühle und Widerstände muss man aushalten können, konstruktiv verarbeiten und sich ins MACHEN begeben.

Ungewöhnliche – schräge – Typen sind für manche sicherlich „an-stossend“.

Und als Personen genau die richtigen Erfahrungs- und Kompetenzträger und Vorausgänger und Mutmacher bei Transformationen?

Schon mal über einen schrägen Interim Manager nachgedacht?

Text:
Dr. Harald Schoenfeld

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