Insider, Umsetzer und Vordenker im Interim Management seit fast 25 Jahren!
Dr. Bernd Thurat
Dr. Bernd Thurat ist seit dem Jahre 1996 als professioneller Interim Manager tätig. Er zählt somit zu den Interim Managern mit der größten Erfahrung im Markt. Auch heute noch übernimmt er Mandate auf C-Level und ist aktiv, z.B. als Mitglied des Verbandes DDIM e.V., für die Entwicklung der Branche engagiert.
Bewusst keine Berater.
Herr Dr. Thurat, Sie überblicken in der Branche fast ein Vierteljahrhundert. Was hat sich in dieser Zeit im Interim Management geändert?
Zu Anfang meiner Tätigkeit wurde weitestgehend ein „intelligenter Leiharbeiter“ gesucht. Dabei ging es meist um ein konkret anstehendes Projekt mit operativem Charakter, für das es intern keine Ressourcen gab.
Eines war bei allen Aufgabenstellungen in den ersten Jahren gleich: Die Kunden waren vor allem Eigentümer mit Weitblick und zukunftsweisenden Ideen. Sie haben sich bewusst „Umsetzer“ eingekauft, die mit neuen, frischen Ideen von außen kamen. Sie haben das als eine wichtige Investition betrachtet.
Sie wollten bewusst keinen Berater, der das Thema mit PowerPoint analysiert und dann sagt, wie es umzusetzen gilt. Nein, der Eigentümer wollte die Umsetzung, bzw. das Machen mit einer Zeiteinschätzung und einem definierten Ende. Der Interim Manager hatte die Verantwortung, er musste in regelmäßigen Abständen einem Steering Commitee oder Beirat/Aufsichtsrat berichten, aber er hatte die Verantwortung und die Vollmacht zum Handeln. Voraussetzung war, er hatte das Vertrauen des Eigentümers. Der Freiraum des Interim Managers war sehr groß. Nach Beendigung der Aufgabe wurde sich bedankt und das war es.
Im Gegensatz zu heute hatte der Auftraggeber nur eine einzige Person angesprochen. Keine drei oder mehr zur Auswahl, wie es heute im Interim Management üblich ist. Das Auswahlgremium ist oft ein recht großes, und es wird sich mehrfach rückversichert, u.a.. mit umfangreichen Referenzen. Der Findungsprozess ist oft sehr zäh.
In der heutigen Zeit wird schwerpunktmäßig recht nüchtern nach einer „fehlenden Ressource“ mit bestimmten Kompetenzen gesucht. Kommt es zu einem Projekt, ist der Interim Manager stark mit dem Sozialgefüge und der Kultur einer Organisation konfrontiert. So kommt es in der Praxis immer wieder vor, dass intern stark darauf geachtet wird, dass der Interim Manager sich seiner Aufgabe in sachlicher Hinsicht widmet, aber auf der anderen Seite bestimmte Kreise nicht stört. Viele Randbereiche des Unternehmens sehen einen Interim Manager leider als Störgröße. Hinzu kommen vielfach Neidgefühle zur Honorierung.
All das sind Faktoren, die heute im Lösungsweg eines Interim Managers ihre Berücksichtigung finden müssen, wenn ein Vorhaben wirklich zum Erfolg geführt werden soll. Das kostet alles zusätzlich Kraft und neue, vor allem soziale Kompetenzen, im Bereich der Durchsetzung – auch gegen Widerstände.
Für die Akquisition von neuen Aufträgen kommt es heute noch mehr auf ein kontinuierlich gepflegtes und intaktes Beziehungsnetz an, und zwar auf persönlicher Ebene. Immer mehr auch in der digitalen Welt.
1996: Ich erinnere mich an ein Mandat, da wurde ich eingeladen in ein schloss-ähnliches Gebäude in der Nähe von Brüssel. Ich wusste relativ wenig, worum es ging. Der Eigentümer hatte seinen persönlichen Berater mit am Tisch. Auch ich hatte meinen Berater mitgenommen. Ich möchte erwähnen, es war mein erster Versuch für ein Mandat als Interim Manager nach einer mehr als sechsjährigen Geschäftsführer-Verantwortung als Angestellter.
Das Gespräch war sehr harmonisch und darauf ausgerichtet, welche Fähigkeiten ich im Umgang mit komplexen Strukturen und mit Menschen besitze. Auf meine Frage, warum er mich angesprochen hat, war die klare Antwort: „Sie sind der Richtige für diese Aufgabe“. Dann schaute er zu seinem Berater und frage noch: „Stimmt doch, nicht wahr?“. Die Antwort seines Beraters war: „Ja, er ist es.“ Danach kam nur noch die Frage „Wann wollen Sie starten?“.
Eine Verhandlung über die Ausstattung des Mandates über die Randbedingungen gab es nicht. Es war bereits alles definiert. Man hatte Vertrauen in den Interim Manager.
Der Bedarf wird wachsen
Wo sehen Sie gegenwärtig die großen Trends für die Entwicklung des Interim-Geschäfts in der Zukunft?
Der Bedarf an Interim Managern wird extrem wachsen, denn die Unternehmen können es sich im Zuge des „Lean“ nicht erlauben, so viel Know-how zu bevorraten. Gleichzeitig bringt ein Interim Manager viel Erfahrung mit, auch aus anderen Unternehmen, und kann diese in das aktuelle Unternehmen einbringen. Wobei man sich immer vergegenwärtigen muss: Der Interim Manager ist ein Investment ohne Nachlaufkosten.
Der Einsatz von Interim Managern in Unternehmen wird noch breiter als bisher werden und bis ins Detail alle Disziplinen und Spezialthemen des Management abdecken.
Die Qualifikation der Interim Manager selbst wird zukünftig immer mehr das Digitale – und das zusätzlich – umfassen. Und weil die Wertschöpfungsketten immer internationaler werden, müssen zukünftige Interim Manager auch von der Persönlichkeit her immer globaler und interkultureller aufgestellt sein. Diese Kompetenzen sind wichtig in Bezug auf ihr Denken und ihre Handlungsmöglichkeiten für das Kundenunternehmen.
Ich bin aber weiterhin skeptisch, dass Interim Management und Beratung weiter zusammenwachsen, wenn also Konzept + Umsetzung in einer Hand liegen. Ich bin auch skeptisch, wenn Berater ein Konzept erstellen, und die Umsetzung erfolgt dann nur mit eigenen Mitarbeitern des Kunden. Das geht nur selten gut, denn die eigenen Leute werden tendenziell an „Althergebrachtem“ festhalten.
Gutes People-Management ist unabdingbar.
Was sind Ihre 3 Top-Empfehlungen für Unternehmen, die an den Einsatz eines Interim Managers denken?
Der wichtigste Erfolgsfaktor für die Zusammenarbeit mit einem Interim Manager findet sich ganz zu Anfang: Es muss klar definiert werden, wofür der Interim Manager benötigt wird und was er erreichen soll.
Die Empfehlung lautet also: Erstellen Sie ein Anforderungsprofil! Der zweite Punkt ist: Kommunizieren Sie – vertraulich –mit dem Interim Manager überIhre Hintergründe und (unternehmenspolitischen) Ziele. Esgehört zum Berufsverständniseines Interim Managers, Ihnenals Kunde in jeder Hinsicht zurSeite zu stehen; er muss nurwissen, was Ihnen wirklich wichtig ist. In der Praxis habe ich einige Unternehmen erlebt, dieeinen Interim Manager als Alibiverwenden, z.B. für den Aufsichtsrat. Vergleichbares findetsich ja auch in der Nachbarbranche, der Unternehmensberatung. Wenn das so ist, sagenSie es; durchaus vertraulich. IhrVertrauen wird Ihnen gedankt.
Wenn Sie einen „echten Umsetzer“ möchten, dann gewähren Sie ihm auch den entsprechenden Freiraum. Das Unternehmen muss sich bewusst sein, dass ein Interim Manager kein „Befehlsempfänger“ ist. Es darf auch kein Neid ob seines Honorars und ob seines Freiraumes aufkommen.
Erfolg fängt im Umgang mit sich selbst an.
Was möchten Sie Neueinsteigern, also „jungen“ Interim Managerinnen und Managern, mit auf den Weg geben?
Ein Interim Manager muss sich bewusst sein, dass es – anders als im Angestelltenverhältnis -keine vorgegebene Arbeitsplatzbeschreibung gibt. Als Interim Manager ist man selbständiger Unternehmer und in einer aktiven Rolle:
Der Interim Manager bekommt vom Kunden eine Aufgabe, ein Ziel. Er muss dann in der Lage sein, den Weg dorthin zu formulieren, zu vertreten, zu kommunizieren und dann in der Umsetzung weitgehend alleine zu gehen. Auch gegen Widerstände und mit allen Unsicherheiten. Mit dem was er tut, steht ein Interim Manager ständig unter Beobachtung, bzw. im Fokus. Mit all dem muss er umgehen können. Das erfordert einen bestimmten Charakter.
Ein Interim Manager muss sich klar darüber sein, ob er die Selbständigkeit mit all ihren Unwägbarkeiten und Unsicherheiten möchte. Es hat ja Auswirkungen auf seine Partnerschaft oder Familie. Er benötigt einen finanziellen Puffer, um Mandatslücken überbrücken zu können; gerade zu Anfang. Und zudem muss er wissen, dass zu seiner Tätigkeit auch das Marketing und der Vertrieb in eigener Sache gehören.
Wichtig und unabdingbar sind Kompetenzen im People-Management, unabhängig von der Hierarchie-Ebene. Ein Interim Manager ist in jedem Mandat der „Neue“ und hat keine Einarbeitungszeit. Man muss ständig Menschen überzeugen, begeistern und vor allen Dingen mitnehmen. Weil das in einer Zeit mit immer mehr Veränderungen zunehmend wichtiger wird: Ich kann Interim Manager nur immer wieder ermutigen, diesen Qualifikationsbereich zu trainieren und darin bewusst immer besser werden zu wollen.
Zum Marketing in eigener Sache ist meine Empfehlung: Finden Sie heraus, was Sie besser können als andere und worin ihr besonderer Wert für den Kunden liegt. Setzen Sie einen klaren Fokus, pflegen Sie ein starkes professionelles Netzwerk und Ihre Marke. Tun Sie das auch dann, wenn Sie gerade im Projekt sind.
Und schließlich sollte ein Interim Manager nicht jedes Mandat annehmen, das ihm angeboten wird: Wägen Sie nach einigen Gesprächen genau ab. Ein „sauberes Nein“ ist meist ein „gesundes Ja“ zu sich selbst oder zu einem anderen Projekt. Nachhaltigkeit und dauerhafter, jahrelanger Erfolg fängt im Umgang mit sich selbst an.