Ein Praxisbericht
Neue Konzepte, hohe Flexibilität, Bereitschaft zu lernen, ausprobieren, Geschwindigkeit.
Meine pragmatische VUCA Interpretation: Es kann alles passieren. Zu jeder Zeit. Vorhersagen führen häufig zur Überraschung durch die Realität. Wenige Menschen haben bisher Trendwenden richtig vorhergesagt. Konkurrenten erscheinen plötzlich, agil und überraschend. Immer häufiger ändern sich Geschäftsmodelle in atemberaubender Geschwindigkeit. Das fordert neue Konzepte und eine hohe Flexibilität, eine große Bereitschaft zu lernen, auszuprobieren und Geschwindigkeit. Am wichtigsten: Es fordert das Leben agiler Arbeitsweisen.
Agil. Digital. Sales. Gut zuhören ist für Eckhart Hilgenstock gerade am Anfang eines Mandates besonders wichtig. Die Wirtschaftswoche (23/2012) bezeichnet ihn als „Vorzeigetyp der Branche“. Im Jahr 2012 wurde er vom AIMP (Arbeitskreis Interim Management Provider) als Interim Manager des Jahres ausgezeichnet.
www.hilgenstock-hamburg.de – Fotos (2): Detlef Szillat
Herausforderung beim Kunden
Die Wirtschaftslage war unsicher und durch Innovationen wird die Absatzmenge im deutschen Markt um 15% bis 2025 sinken. Die Exportwirtschaft im Maschinenbau ist von den politischen Ereignissen betroffen und schwer einzuschätzen. Die Konkurrenz hat inzwischen selbst gute Produkte entwickelt, so dass auch mit dem Verkaufsprozess und dem Service gewonnen werden muss. Produkte sind kopierbar, nur die Verkaufsmethode wird nicht kopiert und oftmals unterschätzt. Eigene Innovationen halten mit der Entwicklung mit und festigen die Technologieführerschaft meines Kunden. Deutschland, anders als die anderen Länder des Unternehmens, hat vier Jahre kein Wachstum erreicht, also Marktanteile verloren. Kunden sind verunsichert. Die Bestellmengen ihrer Kunden reduzieren sich. Der eigene Marktanteil meines Kunden liegt bei 9%. Das Image ist positiv. Hochwertige Produkte, guter Service, loyale Kundenbetreuung und neue Produkte eröffnen neue Chancen. Produkte, Service, und Marke sind eine gute Voraussetzung, dem Wettbewerb Marktanteile abzujagen und selber zu wachsen.
Das war der Fahrplan:
- Zwei Workshops mit den Mitarbeitern
- Unternehmenskennzahlen verstehen und analysieren
- Analyse der Fähigkeiten der Mitarbeiter
- kurzfristiger Aktionsplan mit Messgrößen
- verkaufen-verkaufen-verkaufen
- intern aufräumen
- mehr Kommunikation und transparent informieren
- keine Politik (Manipulation)
- Ergebnis orientiert führen
- Umorganisieren
- 5-Jahresplan
Wie habe ich die Mitarbeiter erreicht?
Wenn ich als Interim Executive komme, haben die Mitarbeiter selten auf mich gewartet. Ich erreiche sie durch Zuhören. Und etwas für sie tun. Das können Dinge wie die Firmenwagen-Regelung oder gerechte Gehaltserhöhungen sein. In meinem Falle waren es Dinge, die in der Uneinigkeit mit der Zentrale nicht mehr entschieden wurden, weil dem deutschen Management nicht mehr getraut wurde. Die Mitarbeiter wissen in der Regel exakt was fehlt, wo Ungerechtigkeiten sind und was Ihnen weiterhilft.
In einem Workshop habe ich mit dem Team gesammelt, was erhaltenswert ist und was unbedingt verbessert werden musste. Das Führungsproblem, das mich in die Rolle brachte, war offensichtlich. Ebenso lang war die Liste der Verbesserungen, die wir implementieren und erreichen mussten.
Die Gespräche waren offen und ehrlich, kein politisches Taktieren. Schön, wenn man in solch einer Atmosphäre unbelastet von außen kommt, die Emotionen wertschätzen darf und Fakten basiert entscheiden und implementieren kann.
Die Betrachtungsweise war sehr nach innen gerichtet. Wir haben die Situation mit dem Team gemeinsam aufgeräumt. Das hat zu 40 Aufgaben geführt, für die ich verantwortlich war. Mehr Delegation ging nicht.
Da musste ich durch, um mich dann um die Kunden und das Verkaufen kümmern zu können. Das hat Vertrauen geschafft. Dazu gehörte auch, zu prüfen, ob überall deutsches Arbeitsrecht implementiert war. Das Team war es nicht gewöhnt, intensiv zu verkaufen und strukturiert sowie Ergebnis orientiert Verkaufsziele zu erreichen. Die Pipeline war schwach, wenig Strategie vorhanden und Strukturen als Leitplanke fehlten. Also haben wir mit Verkaufstraining, der disziplinierten Nutzung eines Lösungsverkaufsprozesses und der Gebietsplanung begonnen. Schnell hat sich gezeigt, wer verkaufen will und kann, und wer lieber den Kunden durch guten Service begeistert.
Der Veränderungswiderstand war ungewöhnlich hoch. Das hat mich dazu bewegt, eine pull-push Vorgehensweise zu wählen, die sehr konsequent die zeitgerechte Lieferung vereinbarter Aufgaben und Ergebnisse verfolgt. Schön, dass Inside Sales und SCM (Supply Chain Management) einwandfrei funktionierten.
Intensive Gespräche gehören zu Veränderungsprozessen.
VUCA ist ein Akronym für die englischen Begriffe Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit. Es beschreibt schwierige Rahmenbedingungen der Unternehmensführung. Der Begriff entstand in den 90er Jahren in einer amerikanischen Militärhochschule und diente zunächst dazu, die multilaterale Welt nach dem Ende des Kalten Krieges zu beschreiben. Später breitete der Begriff sich auch in andere Bereiche strategischer Führung und auf andere Arten von Organisationen aus, bis in die Wirtschaft. Eine Strategie zum Überleben leitet sich ebenfalls im Englischen von der VUCA Abkürzung ab, nämlich: Vision, Verstehen, Klarheit und Agilität (Quelle: Wikipedia).
Leitplanken setzen und Mitarbeiter befähigen.
Ich habe die meiste Zeit darauf verwendet, die Qualität der Ergebnisse, wie z.B. die Qualität der Gebietspläne zu steigern. Klar war danach auch, dass nur ein radikaler Umbau den Verkaufserfolg bringen würde: Die Trennung von Service und Verkauf und die Einstellung zusätzlicher Hunter, die es gewohnt sind, Neukunden dauerhaft zu gewinnen. Dies war die logische Schlussfolgerung aus den Fähigkeiten und dem Willen der Mitarbeiter. Gerade bei der Gebietsplanung zeigte sich, wer auf Dauer für den Verkauf in Frage kommt und wer nicht.
Also mussten wir die Verkäufer vom „Service“ befreien, der für die Kunden ebenso wichtig ist wie eine gute Verkaufsberatung. Beides benötigt der Kunde, um sein Ergebnis zu steigern. Aber wie bekamen wir jetzt die Flexibilität, die für diese VUCA Welt notwendig ist? In einer Zeit, in der am nächsten Tag schon der Plan von gestern der Antike zugeordnet wird? Und wie geht das in einem Land, in dem bisher sehr autoritär vom Geschäftsführer entschieden wurde? Wie kamen wir zu Agilität?
Wie schaffe ich eine Organisation, in der die Mitarbeiter in dem Moment entscheiden, in dem die Entscheidung ansteht, und sie alle Informationen und Erfahrungen zur Verfügung haben? Die Mitarbeiter können vor Ort besser entscheiden, als die Experten aus der Ferne. Die besondere Herausforderung: Fehler machen ist gut, damit wir schnell lernen und wenig Zeit auf falschen Wegen verlieren. Das ist ein komplett anderer Umgang mit Fehlern.
Ermutigen, motivieren, entwickeln
Hier kommt die Rolle der Führungskräfte ins Spiel, die ermutigen, motivieren und entwickeln. Ebenso eine Werte orientierte Kultur und ein inspirierender Sinn. Warum tun wir das? In diesem Fall waren das die Steigerung der Produktionseffizienz und die Reduzierung des CO2 Footprints unserer Kunden, der vor allem durch die Verringerung der in der Produktion benötigten Energie sowie durch unsere umweltfreundlichen Produkte erreicht wird.
Wir haben die Grenzen der Organisation, in der Menschen nach Ihren Aufgaben organisiert waren, aufgehoben: Nicht mehr Verkauf, Service, Inside Sales, sondern ein Team. Kunden orientiert in Kundensegmenten aufgestellt. Ein Team kann für den Kunden alle Services liefern, den der Kunde braucht. Das Team bestimmt selbst, wie es das tut. Und hat dabei kurze Wege.
Passend ist das Zitat von Ulli Gritzuhn, General Manager Unilever DACH, aus dem Film Augenhöhe: „Wenn man mich fragt, welche Meinung ich zu einem Werbefilm habe, dann antworte ich darauf auch gerne. Das macht mir Spaß. Ich sollte es nicht mehr tun. Man sollte mich auch nicht in Versuchung führen“.
Das Überlassen wesentlicher Entscheidungen erfordert Selbstdisziplin. Ulli Gritzuhn: „Die Entscheidung könnte auch nach oben delegiert werden, besser wird sie davon in der Regel nicht. Natürlich kommt die Situation in der wir sagen, heute würden wir anders entscheiden, das macht aber die Entscheidung mit den damaligen Informationen nicht schlechter, sondern formuliert das Gelernte.“
Selbststeuerung: Erfolge und Geschwindigkeit
Das Überlassen der Selbststeuerung wird in der Regel durch schnelle Erfolge und Geschwindigkeit quittiert. Es stärkt das Selbstvertrauen der Teammitglieder. Dies war ein deutliches Zeichen, dass wir es wirklich ernst meinten.
„Führung auf Zeit – Lösung auf Dauer.“ Diesen Leitsatz eines Kollegen finde ich ein sehr gutes Motto für Interim Mandate. Es kommt darauf an, dass die Führungskräfte und Teams in der Lage sind, das Geschäft ohne mich weiter zu entwickeln. Deswegen muss ich in der Lage sein, die Leitplanken zu setzen, und ich muss die Mitarbeiter dazu befähigen.
Die Vision war definiert. Der Plan und mehrere Workshops mit den Mitarbeitern brachte die Klarheit und das Verstehen. Die Agilität wurde Stück für Stück geübt. VUCA (Vision, Verstehen, Klarheit, Agilität). In unserer VUCA-Welt.