Corona und Interim Management
Interview mit Krisenmanager Martin Steidl und Dr. Harald Schönfeld
Martin Steidl – Interim Executive mit langjähriger Sanierungserfahrung – gilt in Deutschland als einer der erfahrensten Interim Manager für die Bewältigung von Krisen. Für das Krisenmanagement sieht er drei Phasen: (1) Die Auswirkungen der Krise eindämmen, (2) die wirtschaftlichen Verluste während der Krise gering halten, sowie (3) einen reibungslosen Neustart nach der Krise ermöglichen. Dr. Harald Schönfeld, der Geschäftsführer von butterflymanager, betont in der aktuellen Situation vor allem die Unterstützungsleistung von Interim Managern: Damit das Durchstarten nach der Krise die erforderliche Schnelligkeit in der Umsetzung erhält.
Durchstarten erfordert Schnelligkeit in der Umsetzung.
Dr. Harald Schönfeld
Martin Steidl
Eher radikal und konsequent, als moderat und zögerlich.
Was ist in der aktuellen Corona-Exit-Phase für Unternehmen besonders wichtig?
Martin Steidl: Es kommt jetzt auf aktives und vorausschauendes Handeln an. Meine Erfahrung zeigt (mir), dass Unternehmen und die Mitarbeiter sehr davon profitieren, wenn Sie „für die Tage danach“ jemanden an der Seite haben, der Krisen schon oft erlebt und gemeistert hat. Schreck und Erstarren sind verständlich, sie müssen aber dann (auch) schnell den Fragen weichen, was sich im Markt verändert hat, welche Prioritäten neu gesetzt und unverzüglich –also jetzt schon im Sommer -mit aller Kraft realisiert werden müssen.
Dr. Harald Schönfeld: Gerade das Management des Mittelstandes arbeitet seit Monaten an der Belastungsgrenze: Körperlich und emotional. Durch die Krise zeigt sich nun sehr radikal, was nicht mehr funktioniert, was wir nicht mehr brauchen und von dem nun in konsequenter Weise Abschied genommen werden kann.
Auf der anderen Seite eröffnen sich natürlich Chancen. Um beides tun zu können, braucht es eine kompetente Ergänzung des notwendigen neuen Wissens und – sei es nur temporär -gezielt mehr Kapazitäten, z.B. für die Leitung von Sonderprojekten. Es muss ja auch getan werden können!
Zusätzlich kommen noch die verständlichen Ansprüche von allen Seiten – einschließlich der Belegschaft – hinzu, dass alles ruck zuck hochgefahren und „durchgestartet“ werden soll. Nicht zu reden davon, dass all das, was jetzt „neu“ ist, und die Zukunft sichern soll, auch wirklich funktioniert und keine Fehler passieren. Der Wettbewerb schläft ja nicht. So kommen kompetente Interim Manager ins Spiel, die nicht nur sofort zur Verfügung stehen, sondern eine echte Entlastung sind!
Können wir davon ausgehen, dass sich durch diese Krise ganze Prozessketten ändern werden?
Dr. Harald Schönfeld: Absolut! Unsere aktuellen Kundenanfragen nach kompetenten Interim Managern zeigen uns sehr deutlich, an welchen Stellen die Krise zum Anlass genommen wird, ganze Prozessketten auf den Prüfstand zu stellen. Das betrifft das gesamte Unternehmen und alle Schnittstellen zu Kunden und Lieferanten. Also nicht nur das Supply Chain Management, um die in der Öffentlichkeit diskutierten fatalen Abhängigkeiten von bestimmten Lieferanten in Asien zu beenden. Gerade wenn es um die Restrukturierung von finanziell angeschlagenen Unternehmen geht, wird die Kompetenz gefordert neue, (immer digitaler werdende) Kundenwelten und -bedürfnisse mit in eine ganzheitliche Lösung einzubeziehen. Und zwar eher radikal und konsequent als moderat und zögerlich!
Martin Steidl: Um die Tragweite dieser Forderung nach neuen Prozessketten, ja der Überarbeitung ganzer Geschäftsmodelle, zu erfassen, muss man zunächst eine notwendige Unterscheidung treffen. Prozesse können sein: Wertschöpfungsprozesse, Managementprozesse oder Verwaltungsprozesse.
Die konsequente Ausrichtung der Wertschöpfungsprozesse auf den Kunden ist für die Prozess-Gruppen zentral: Wofür ist der Kunde bereit zu zahlen? Wenn man bei der Preisbildung zudem berücksichtigt, dass jedes Produkt und jede Dienstleistung durch Umsätze mit dazu beitragen muss, dass die Unternehmensführung und die Verwaltungsprozesse (z. B. Instandhaltung, Lohn- und Gehaltszahlung) finanziert werden können, ist doch im Grunde alles klar: Wir müssen die Krise als Chance ansehen, alle unsere „Gewissheiten“ auf den Prüfstand zu stellen und dann konsequent handeln.
Dr. Harald Schönfeld: Eine solche Klärung von Denkgewohnheiten und der Neubewertung von Themen, die man bisher für richtig und notwendig gehalten hat, ist meist schmerzhaft. Sie bedeutet ein gewisses Abschiednehmen und ist mit Hoffnung auf eine bessere Zukunft und Sehnsucht nach neuen Sicherheiten verbunden. Es liegt auf der Hand, dass „Neues“ durch einen kompetenten und erfahrenen Externen (politisch) neutraler angegangen werden kann, eine höhere Akzeptanz findet und dann auch meist schneller und effektiver umgesetzt wird. Ein vertrauenswürdiger Interim Manager hat keine persönlichen Interessen und ist ausschließlich der Sache verpflichtet.
Das Unvermeidbare denken, um das Undenkbare zu vermeiden.
Sie sprechen von der Erarbeitung von Reaktionsmaßnahmen – als Vorbereitung auf die nächste Krise?
Martin Steidl: Wenn man sich mit den Grundlagen des Risikomanagements beschäftigt, kann man ableiten, dass es eine Vielzahl von möglichen Risiken für ein Unternehmen gibt. Gleich ob externe oder interne Ursachen: Früher oder später werden alle Risiken ihre Spuren im Ergebnis des Unternehmens hinterlassen, seien es z.B. Umsatzeinbrüche, Forderungsausfälle, Misserfolge bei Neuanläufen oder Anlagenausfälle.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es ein guter Weg zu Krisenreaktionsmaßnahmen ist, bestimmte Krisen im Unternehmen (einfach) gelegentlich durchzuspielen. Damit erreicht man folgendes:
- Sensibilisierung aller teilnehmenden Entscheidungsträger
- Wahrnehmung des Unter- schieds zwischen Ursachen und Wirkungen (z.B. sind Umsatzeinbrüche Ursachen für Ergebniseinbrüche? Umsatzeinbrüche selbst können aber auch Auswirkungen von Lieferschwierigkeiten oder anderen Problemen im Markt sein.)
- Verdeutlichung von Ursache-Wirkungs-Ketten
- Quantifizierbarkeit von Wirkungen in Abhängigkeit von quantifizierten Ursachen
Die hier als Beispiele genannten Krisensimulationen lassen sich sicherlich entsprechend der be- treffenden Branchen weiter verfeinern und differenzieren. Feststehen sollte allerdings, dass man immer „das Unvermeidbare denken muss, um das Undenkbare zu vermeiden“.
Dr. Harald Schönfeld: Viele Kunden spiegeln mir im Moment ein sehr spannendes „Post-Corona-Zeitfenster“ für die Umsetzung notwendiger Innovationen und Projekte: Sei es im Bereich der Digitalisierung, der Automatisierung oder ganz neuer und intelligenter Wertschöpfungsketten und Arbeitsformen. Das nun mit aller Schnelligkeit und Konsequenz zu nutzen, ist eine riesige Chance für den bisher von manchen als „teuer“ empfundenen Standort von Unternehmen in Deutschland, der Schweiz und Österreich. Interim Manager können dabei eine sehr fertilisierende und unterstützende Rolle spielen. Schnelligkeit in der Umsetzung, die Beherrschung moderner Führungs- und Arbeitsmethoden und eine entsprechende Persönlichkeit, die zur Kultur des Kunden passt, sind natürlich Voraussetzung.